Die verborgene Macht der Möglichkeiten

Mensch in Landschaft auf Holzweg

Möglichkeiten. Ein Wort, welches in der deutschen Kultur aus meiner Sicht eher weniger präsent ist, als beispielsweise in der US-amerikanischen. Es wird häufig von dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten gesprochen, und häufig werden die Fakten belächelt, die dem zu widersprechen scheinen. Doch hier soll es nicht um Fakten gehen, sondern um Wahrnehmung.

Wie ist das also nun mit den Möglichkeiten? Ich persönlich habe häufig nur gehört, dass ich ja die Wahl hätte. Für mich ist eine Wahl die Entscheidungsmöglichkeit zwischen vorgegebenen Optionen. Und lange Zeit habe ich auch nur diese gesehen: nach der Mittelstufe habe ich die Wahl zwischen Abitur, Fachabitur und Ausbildung. Nach dem Abitur habe ich die Wahl zwischen Universität, Ausbildung, usw. Nach der Universität habe ich die Wahl zwischen den Jobs für die mich mein Abschluss qualifiziert. Und so geht das immer weiter. Dir werden Wege gezeigt, und Du darfst wählen, welchen Du gehst. Wenn Du sie nicht gehst, dann droht Dir ein schlechtes Leben – so zumindest habe ich den Druck empfunden, der mit diesen Entscheidungen einhergeht. Die Formel ist also einfach: gehe die Wege, und Du wirst ein gutes Leben haben.

In US-Amerika ist die kulturelle Sicht darauf andersherum. Wenn dort ein Mensch ein gutes Leben haben möchte, dann geht es eher darum sich einen Weg zu erarbeiten, der einen dorthin führt. Dort geht es weniger um Status, mehr um das Erreichte (achievements). Welchen Weg der Mensch dabei geht ist erstmal unwesentlich, solange er dafür arbeitet (work hard). Und so ist dort die vorherrschende Interpretation von Möglichkeiten die der opportunities. Das ist eine Situation, in der es etwas zu erreichen gibt, wenn diese Situation wahrgenommen wird, und daran gearbeitet wird.

Stellen wir uns das bildlich vor: wir gehen durch unser Leben, eine große und diverse Landschaft. Wenn wir Wahlmöglichkeiten haben, dann sind das befestigte Wege durch diese Landschaft, und womöglich sehen wir sogar andere, die diese Wege gehen, und wir können es ihnen gleich machen. Opportunitäten sind Flaggen, die abseits der Wege aufgestellt wurden. Von jedem sichtbar, kann auch jeder versuchen dorthin zu gelangen. Doch nur der erste kann die Flagge nehmen, der Rest bleibt dann mitten in der Landschaft stehen. Was kann es noch geben?

Für mich sind Möglichkeiten nicht für alle in der Landschaft zu sehen. Jeder hat einen eigenen Blick auf die Landschaft, gezeichnet von seinen Wünschen, Träumen, Zielen und Visionen. Dies könnte bedeuten auf einen Berg in dieser Landschaft zu steigen, um dann mit einem Gleiter weit ins Land zu fliegen. Doch dort gibt es keinen befestigten Weg hin, und keine Flaggen, die eine Richtung weisen. Ich kann mir durch Geschichten anderer Inspiration für meinen eigenen Weg holen, aber es wird mein eigener Weg bleiben, da nur ich so bin, wie ich bin.

Was also ist die verborgene Macht der Möglichkeiten? Es gibt kein richtig und falsch, wenn es um Möglichkeiten geht. Egal welchen Weg ich gehe, niemand außer mir kann beurteilen, wie geeignet dieser für mich ist. Schließlich finde ich den ja auch aus meinem Innersten heraus. Und, stelle ich fest, dass der Weg nicht gut für mich ist, dann gibt es unendlich viele andere die ich einschlagen kann. Diese Einsicht macht das Leben zu einem Abenteuer, und womöglich ist es das, was die Leute meinen, wenn sie sagen der Weg sei das Ziel. Die Richtung kann sich jederzeit ändern im Laufe des Lebens, und die Richtung zu ändern kann auch eine bewusste Entscheidung sein. Ist der Blick offen dafür, dann tun sich immer wieder neue Wege auf. Fasziniered!

Doch eine Macht wäre keine Macht, wenn sie nicht auch negatives tun könnte. Und das ist die Suche nach Möglichkeiten. Über Wahlen kann ich mich infomieren, nach Opportunitäten suchen. Möglichkeiten jedoch erscheinen häufig nur dann, wenn nicht danach gesucht wird. Ich habe das häufig im letzten Jahr erlebt, und ich werde sicherlich auch noch Geschichten dazu erzählen. So viel sei nur gesagt: Möglichkeiten verleiten dazu sie wahrzunehmen, da sie etwas neues sind, und Hoffnung schenken können. Dauernd den Weg zu wechseln ist wie nach unsichtbaren Flaggen zu suchen. Und an einer Möglichkeit festzuhalten bedeutet einen befestigten Weg zu bauen, und sich dann am Bau zu verbrauchen. Und vielleicht baue ich auch ein Haus, und bleibe stehen.

Dumbledore sagte einst zu Harry, dass der Moment kommen wird, indem wir uns entscheiden müssen, zwischen dem einfachen Weg und dem richtigen. Den richtigen Weg für einen zu erkennen obliegt ganz ihm. Dann übernimmt der Mensch tatsächlich Verantwortung für sein Leben. Hast Du schon Möglichkeiten gesehen? Und hast Du auch den ersten Schritt in diese Richtung gemacht?

Du magst vielleicht auch

Ein Kommentar

  1. Sehr guter Brückenschlag von Möglichkeiten und Opportunitäten zu Verantwortung. Egal welche Möglichkeiten wir nutzen, eingehen und wahrnehmen, kommt es doch darauf an, die Verantwortung für unsere Wahl und unsere Wege nicht zu vergessen.

Was ist deine Meinung dazu?