Leichtigkeit in der täglichen Qual

Frau sitzt in gigantischem Kleid in einem mediteran anmutendem Zimmer, schaut nach links.

Neulich stand ich an einer Haltestelle in Berlin und beobachtete Menschen, während ich auf den Bus wartete. Dort war nun eine Frau und ein Mann, beide etwa in der Mitte ihres Lebens und „lustig“ gekleidet. Es war schwarz mit farbigen Mustern. Und ihre Haut hatte ganz klar schon viel Sonne in ihrem Leben gesehen. Ihre Seelen auch.

Ich sah ein Spiel. Manche würden es vielleicht das Spiel zwischen Mann und Frau nennen. Manche würden anmerken, dass ich den Kontext gar nicht kannte, und auch den Gesprächen nicht folgen konnte. Ich jedoch beobachte nur, und erzähle von der Realität, wie ich sie erfahre. Mehr kann ich gar nicht tun hier.

Was war also besonderes an diesen beiden? Sie schienen sich zu streiten, aber nicht auf aggressive Weise. Es ging hin und her, und er schien dabei ruhiger zu sein, als sie. Schließlich standen sich beide gegenüber, sie drehte sich um und ging ablehnend davon. Und nun kommt das besondere: während sie schnellen Schrittes fortging, fiel mein Blick auf ihn. Und sein Blick schien mir erst gequält, als wäre er verletzt, oder enttäuscht. Und im nächsten Moment schien sein Blick beruhigt, gar glücklich. Eine Leichtigkeit entspannte sein Gesichtszüge, und er schaute in eine andere Richtung.

In dem Moment stieg ich dann schon in den Bus ein, und dachte darüber nach, was ich da gesehen habe. Ganz gleich, was die Vorgeschichte war, ganz gleich welche Intention dahintersteckte: unsere tägliche Qual ertragen wir Menschen (und wahrscheinlich auch Tiere) nicht ohne eine gewisse Leichtigkeit. Während ich darüber nachdachte fielen mir noch mehr solcher Beispiele an: streitende Pärchen, die sich danach wieder mit Sex er:leichtern, oder mit einem Bier mit Freunden, oder beim Shoppen mit „den Besten“. Aufgeregte Hunde, die erst engagiert an etwas kauen, und es dann fast hüpfend forttragen. Angestellte, die sich nach einem anstrengenden Gespräch mit ihren Vorgesetzten, Kollegen oder Kunden an der Kaffeemaschine oder im Raucherbereich Gesellschaft suchen, und das schon fast als Sieg feiern.

Was soll das nun alles bedeuten? Wieso erzähle ich diese Geschichte? Nun, die Lektion dieser Geschichte liegt darin, dass wir dieses Ver:halten überall beobachten können. Auch bei uns selbst. Hier können wir ansetzen, und achtsam sein. Darin finden wir dann bei uns Themen, bei denen wir verhalten reagieren, und uns davon ab:halten unsere wahren Gefühle und Gedanken zu äußern, in der Furcht davor, dass niemand mehr mit uns dieses Spiel spielt, welches uns täglich neu Qualen bereitet. Und damit äußern wir auch uns selbst gegenüber nicht unsere wahren Gefühle und Gedanken, und gehen damit immer wieder in neue Runden des gleichen Spiels.

Dieses kleine Erlebnis, was mich damals so fasziniert hat, mag heute in der Interpretation und Erinnerung bereits verändert sein, und meinen aktuellen Zustand widerspiegeln. Doch es spielt letztlich keine Rolle. Hätten sich beide damals vertragen, dann hätten sie womöglich mehr Liebe in die Welt tragen können. Aber vielleicht hätte es auch mich davon abgehalten diesen Prozess zu machen, und zu erkennen, dass diese Dinge auch bei mir immer wieder [her]vor:kommen. Vielleicht nicht mehr oft im Großen, aber doch im Kleinen. Und jedes Mal verwende ich Energie auf etwas, was nur eine weitere Runde eines Spiels ist, was so vertraut ist, dass es schon fast normal scheint. Daran teilzunehmen ist keine Option, es zu beenden schon. Im Sinne eines Sieges für alle.

Was quält euch so? Wo ist eure Leichtigkeit versteckt?

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