Schon Mal ein Fahrrad repariert?

Es gibt ja solche Tage, und solche Tage. So sagt mensch zumindest. Und heute (am Tag des Verfassens) ist ein solcher Tag. Und obwohl es morgens schon hätte klar sein können, bin ich den Tag dennoch angegangen. Und es gab auch Erfolgsmomente, und es gab auch optimistische Momente. Aber es war doch … naja … solch ein Tag.

Und nun schreibe ich das, und frage euch: schon Mal ein Fahrrad repariert? Vielleicht Mal einen Platten gehabt? Was dann? Seid ihr in den Genuss dieses ersten Mals gekommen, etwas für euch neues zu tun, und es falsch machen zu können? Damit vielleicht später in die gleiche Situation zu kommen, da ihr es ja falsch gemacht habt? Oder euch vielleicht zu blamieren? Oder dem Besitzer des Fahrrads etwas vermeintlich Schlechtes zu tun damit?

Nun, dann seid ihr nicht allein! Ich habe heute eben dies gehabt. Und es war zum Teil eine großartige Erfahrung! Wie oft haben wir heutzutage ein erstes Mal? Und wie oft freuen wir uns darauf? Ich war dankbar, dass ich es hatte! Und dann war ich ganz schnell frustriert. Ich bin zu diesem Fahrradladen, um zu testen, ob der Schlauch tatsächlich ein Loch hat, und das hatte er. Dann bin ich zurück, um einen anderen einzusetzen. Als ich spontan den Reifen nicht abbekommen habe, habe ich YouTube konsultiert, und bin nicht schlauer geworden. Ich habe nichts improvisieren können, was einem Reifenheber entsprochen hätte.

Schlauch eingepackt, zurück zum Laden, Heber gekauft … funktioniert nicht. Bin ich zu vorsichtig? Wie viel hält so ein Reifen eigentlich aus? In den Laden, dort mit Kraft! Gut, hält viel aus, Rest mach ich selbst. Fast daneben: den Schlauch von der gegenüberliegenden Seite vom Ventil herausnehmen. Danke! Dann Schwierigkeiten beim Pumpen. Diesmal lags wohl am Gerät. Und so geht die Geschichte noch eine Weile weiter.

Aber ich habe gerade gar keine Lust die Geschichte in aller Ausführlichkeit euch darzulegen. Es soll kein Tutorial zum Wechseln von Fahrradschläuchen werden. Vielleicht mache ich das ein anderes Mal. Dieses Mal geht es um die Frage nach einer Mitte: nach der Mitte zwischen kindlichem Ausprobieren und blindem Ausführen. Nach dem Unterschied zwischen „Es könnte kaputt gehen, und ich probiere trotzdem aus.“ und „Ich lasse es vom Profi machen.“ oder „Ich lasse mich beim Machen betreuen.“. Wo ist da die Mitte? Wie bewege ich mich sinnvoll auf diesem Spektrum? Und vor allem: bin ich an einer bestimmten Stelle dieses Spektrums gefangen?

Die oben so kurz und knapp erzählte Geschichte hatte nämlich viele negative Emotionen. Und beim Schreiben hier, und beim Nachdenken darüber habe ich ebenso starke negative Emotionen. Und das muss ich euch so erzählen und das betonen, denn sonst hat der Text hier seinen Zweck verfehlt! Die Antwort auf die letzte Frage für mich ist folgende: ich bin auf der passiven, unwirksamen Seite des Spektrums gefangen. Dieses Gefängnis habe ich bereits vor einiger Weile begonnen aufzubrechen, und mich auf andere Bereiche vorgewagt. Doch heute — an einem solcher Tage — ist mir wieder klar geworden, wie lang dieser Weg ist, und dass es nicht oft Gelegenheit gibt sich dessen bewusst zu werden, und ihn zu navigieren.

In unserem Alltag lässt sich so viel vom Profi erledigen. So viele Erfahrungen, so viele erste Male, verwehren wir uns alleine schon dadurch, dass wir etwas nicht versuchen. Ja, der Profi kann sicherlich besser die fünfstöckige Hochzeitstorte herstellen. Wenn ich mich einen vollen Tag in die Küche stelle, und nach Buch und Video selbst eine herstelle, dann weiß ich auch viel mehr zu würdigen, dass jene vom Profi so hübsch und lecker ist. Meine ist es vielleicht nicht. Und die Gäste bekommen dann auch die vom Profi. Oder auch nicht! Vielleicht habe ich es ja aus meiner Sicht super hinbekommen, und serviere mit Stolz meine eigene Kreation. Ich werde es nicht wissen, wenn ich es nicht ausprobiere.

Und mein Fahrrad kann der Profi sicher auch schneller und besser reparieren. Was aber, wenn es mir auf dem Weg kaputt geht? Breche ich den Weg dann grundsätzlich ab? Heutzutage kann ich zwar mein Auto nicht mehr selbst reparieren, wie Gunther Holtorf es gemacht hat, aber immerhin mein Fahrrad. Was bedeutet es für mich, wenn ich das selbst kann?

Und wie kann ich es überhaupt erfahren, wenn ich doch scheinbar etwas in mir habe, was mir weismachen möchte, dass es jemand anderes tun sollte? Und wieso gibt es die neuen Erfahrungen, die ich gerne mache, und die anderen, die ich nicht so gerne mache? Weil die leidlichen weiter von meiner eigenen Realität, von ähnlichen Erfahrungen entfernt sind? Bin ich deswegen schlechter dafür qualifiziert als andere? Oder übernehme ich hier schlicht keine Verantwortung?

Ja, einer jener Tage ist heute …

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Ich bin dagegen.

Heute ist mensch dagegen. Gegen AfD und SPD, gegen früh aufstehen und gegen spät ins Bett gehen, gegen Vernunft und gegen Exzess, gegen Moral und gegen ungerecht. Ich bin dagegen. Ich bin gegen das Dagegensein, für das Dafürsein, fürs Freisein, fürs Zusammen- und fürs Alleinsein, fürs Gemeinsamsindwirstark- doch Alleinebinichglücklichsein. Bin ich dann auch gegen das Dafürsein und für das Dagegensein?

Einerlei: ob dafür oder dagegen, ob auf neuen oder alten Wegen, ob zusammen oder allein – jede/r möcht‘ nur glücklich sein. Drum werd‘ ich sehen: ich dreh nur Runden; bin wie erblickt, dem Blick entschwunden, im Überwinden meiner Wunden, und doch fernab. Fernab Links, Rechts, Mitte, fernab zur Mitte, zur Titte, zum Sack, fernab dafür, dagegen, fernab Mensch, fernab Leben. Zackzack! Ob dafür oder dagegen, ich möcht‘ nur sein, möcht‘ doch nur leben, ob auf neuen oder alten Wegen – nein!

Nein! – nicht dagegen. Ja! – nicht dafür. Nein, für mich, für dich, für uns. Ja, für alle und alles und nichts. Ich such‘ nicht mehr das Überleben, ich möcht‘ heut‘ hier und glücklich leben, und muss gestehen: ich war dagegen!

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Wo geht es hin? Wer kanns erblicken? Können wir es sehen, gesattelt auf dem Messerrücken? Ein Stück vom Kuchen: das möchte jeder. Ein Stück vom Leben? Ich bin dagegen.

Und wer es sieht, der kanns kaum glauben: vom Mensch geschaffen, ist am Verstauben! Den hohen Zweck mit Bravur erfüllt, bettet sich schlecht, graviert ganz güld‘. Das Alte weicht dem Alten nicht, das Neue ist bloß ein altes Gesicht, die Welt von morgen bleibt uns verborgen, die Welt von heute kennen kaum, die Leute.

Wo geht es hin? Wer kanns erblicken? Können wir steigen von dem Messerrücken? Auf dass wir sehen unser Leben, und uns gestehen: ich war dagegen!

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Es wird nun Tag, in dunkler Nacht. Ob wir nun früh aufstehen oder spät ins Bett gehen, ach. Heut‘ mit Vernunft, morgen im Exzess. Für mich Moral, für dich ungerecht. Ich such‘ nicht mehr das Überleben, ich möcht‘ heut‘ hier und glücklich leben. Drum steig ich ab vom Messerrücken, back‘ mir beschwingt ‘nen eigenen Kuchen, stell‘ fest im Neuen und Verzücken: ich war dagegen, ja – nun bin ich frei. Es wird nun Tag, in dunkler Nacht.

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Leichtigkeit in der täglichen Qual

Frau sitzt in gigantischem Kleid in einem mediteran anmutendem Zimmer, schaut nach links.

Neulich stand ich an einer Haltestelle in Berlin und beobachtete Menschen, während ich auf den Bus wartete. Dort war nun eine Frau und ein Mann, beide etwa in der Mitte ihres Lebens und „lustig“ gekleidet. Es war schwarz mit farbigen Mustern. Und ihre Haut hatte ganz klar schon viel Sonne in ihrem Leben gesehen. Ihre Seelen auch.

Ich sah ein Spiel. Manche würden es vielleicht das Spiel zwischen Mann und Frau nennen. Manche würden anmerken, dass ich den Kontext gar nicht kannte, und auch den Gesprächen nicht folgen konnte. Ich jedoch beobachte nur, und erzähle von der Realität, wie ich sie erfahre. Mehr kann ich gar nicht tun hier.

Was war also besonderes an diesen beiden? Sie schienen sich zu streiten, aber nicht auf aggressive Weise. Es ging hin und her, und er schien dabei ruhiger zu sein, als sie. Schließlich standen sich beide gegenüber, sie drehte sich um und ging ablehnend davon. Und nun kommt das besondere: während sie schnellen Schrittes fortging, fiel mein Blick auf ihn. Und sein Blick schien mir erst gequält, als wäre er verletzt, oder enttäuscht. Und im nächsten Moment schien sein Blick beruhigt, gar glücklich. Eine Leichtigkeit entspannte sein Gesichtszüge, und er schaute in eine andere Richtung.

In dem Moment stieg ich dann schon in den Bus ein, und dachte darüber nach, was ich da gesehen habe. Ganz gleich, was die Vorgeschichte war, ganz gleich welche Intention dahintersteckte: unsere tägliche Qual ertragen wir Menschen (und wahrscheinlich auch Tiere) nicht ohne eine gewisse Leichtigkeit. Während ich darüber nachdachte fielen mir noch mehr solcher Beispiele an: streitende Pärchen, die sich danach wieder mit Sex er:leichtern, oder mit einem Bier mit Freunden, oder beim Shoppen mit „den Besten“. Aufgeregte Hunde, die erst engagiert an etwas kauen, und es dann fast hüpfend forttragen. Angestellte, die sich nach einem anstrengenden Gespräch mit ihren Vorgesetzten, Kollegen oder Kunden an der Kaffeemaschine oder im Raucherbereich Gesellschaft suchen, und das schon fast als Sieg feiern.

Was soll das nun alles bedeuten? Wieso erzähle ich diese Geschichte? Nun, die Lektion dieser Geschichte liegt darin, dass wir dieses Ver:halten überall beobachten können. Auch bei uns selbst. Hier können wir ansetzen, und achtsam sein. Darin finden wir dann bei uns Themen, bei denen wir verhalten reagieren, und uns davon ab:halten unsere wahren Gefühle und Gedanken zu äußern, in der Furcht davor, dass niemand mehr mit uns dieses Spiel spielt, welches uns täglich neu Qualen bereitet. Und damit äußern wir auch uns selbst gegenüber nicht unsere wahren Gefühle und Gedanken, und gehen damit immer wieder in neue Runden des gleichen Spiels.

Dieses kleine Erlebnis, was mich damals so fasziniert hat, mag heute in der Interpretation und Erinnerung bereits verändert sein, und meinen aktuellen Zustand widerspiegeln. Doch es spielt letztlich keine Rolle. Hätten sich beide damals vertragen, dann hätten sie womöglich mehr Liebe in die Welt tragen können. Aber vielleicht hätte es auch mich davon abgehalten diesen Prozess zu machen, und zu erkennen, dass diese Dinge auch bei mir immer wieder [her]vor:kommen. Vielleicht nicht mehr oft im Großen, aber doch im Kleinen. Und jedes Mal verwende ich Energie auf etwas, was nur eine weitere Runde eines Spiels ist, was so vertraut ist, dass es schon fast normal scheint. Daran teilzunehmen ist keine Option, es zu beenden schon. Im Sinne eines Sieges für alle.

Was quält euch so? Wo ist eure Leichtigkeit versteckt?

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Pausen, die beschleunigen

Halbes Männergesicht, wütender Blick, die Hand markiert die Teilung in der Mitte, schwarz-weiß

Wie ich bereits an anderer Stelle geschrieben habe, ist Zeit etwas, was unsere Wahrnehmung uns zeigt. Habe ich das Gefühl Zeit zu verlieren, habe ich das Gefühl, dass die Zeit sich einfach nicht bewegt, oder dass der Tag oder die Begegnung schon wieder vorbei ist, dann ist das stark an die Gefühle gekoppelt, die ich dort erfahre. Eine besonders schöne Begegnung ist viel schneller vorbei, als ich es mir wünschen würde, obwohl ein Moment während dieser Begegnung mir vorkommen kann, als würde er unendlich andauern. Und nach einer solchen Begegnung fühle ich mich gut. Habe ich jedoch ein Meeting, wo ich nach gefühlten 10 Minuten feststellen muss, dass lediglich eine vergangen ist, dann verliere ich Energie, dann geht es mir nicht gut danach. Aber muss ich mich eigentlich immer dem hingeben, was da so passiert? Muss ich das Meeting „aushalten“, so wie es ist? Gibt es nicht Möglichkeiten, um die schönen, unendlich lang vorkommenden Momente selbst zu „vermehren“?

Pausen können mir dabei helfen ein Gefühl für Zeit, und auch für meine Gefühle zu bekommen. In der Pause kann ich mich fragen, wie viel Zeit gefühlt vergangen ist, es mit dem vergleichen, wie viel tatsächlich vergangen ist, und schließlich überlegen, welche Gefühle ich währenddessen so hatte. War ich im Flow, oder habe ich mich dauernd nur geärgert, weil etwas nicht funktioniert hat? Im ersten Fall habe ich wahrscheinlich nicht bemerkt, wie die Zeit vergangen ist, und im zweiten Fall, habe ich meinen Ärger auch dauernd mit der Zeit verknüpft, die dann davonzurennen scheint. Denn: wenn etwas nicht funktioniert, dann verliere ich doch Zeit! Oder nicht?

Wie können mich Pausen also beschleunigen? Das klingt doch nun erst einmal nach „Arbeit“, nach einem Prozess, den ich durchlaufe. Eigentlich ganz einfach: in der Pause kann ich mir ins Gedächtnis holen, was ich gerade mache, und wie ich es machen möchte. Es ist eine Gelegenheit für mich, einen Schritt zurückzutreten, und mich von außen zu betrachten. Ärgere ich mich gerade sehr über etwas, dann sollte ich mir eine Pause gönnen, und zum Beispiel für eine Minute am Stück lächeln. Das unterbricht den Ärger, und ich kann mir überlegen, wie ich mit der Situation konstruktiver umgehen kann, als mit Ärger. Was ist mein Ziel? Kann ich dieses auch anders erreichen? Wo wäre meine Energie besser angelegt, als im Ärger des Moments? Wo kommt mein Ärger eigentlich her? Meist nicht von dem, was ich gerade sehe oder höre.

Screenshot Pexels-Suche nach "stress"
Wer nach Stress sucht, der findet auch Glück 🙂

Ich glaube – und ich habe es auch so erlebt – dass dadurch alles ein bisschen einfacher wird. Wir verschwenden weniger Energie darauf, uns unseren Gefühlen in Situationen zu ergeben, die uns nur ausbremsen, wenn wir sie nicht bewusst wahrnehmen, und gleichzeitig können wir die Gefühle als das wahrnehmen, was sie sind: Signale, dass etwas nicht stimmt, mit uns oder in der Welt um uns herum. Und selbst wenn wir möglicherweise lange Zeit brauchen werden, um das was wir wahrgenommen haben zu deuten, so haben wir dennoch nun die Möglichkeit mit solchen Situationen anders umzugehen: wir können die Situation verändern, wir können unsere Gefühle verändern, und wir können uns dafür entscheiden die Perspektive zu verändern, um unser Verständnis von anderen Menschen oder unserer Umwelt zu erweitern. Und das sind Effekte, die sich nicht nur addieren, sondern mindestens multiplizieren. Denn wir fangen nicht am gleichen Punkt wieder an mit der Welt zu interagieren, sondern haben unsere Fähigkeiten, unsere Baseline, wieder verbessert, und können nun von dort aus agieren. Achtsam. Und das wirkt sich auf alles aus, was wir tun. Es beschleunigt uns, ohne den Boden unter den Füßen zu verlieren!

Was war dein letzter Moment, in dem du nicht auf deine Gefühle gehört hast, oder sie erst wahrgenommen hast, als es schon zu spät war?

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